Eins vorweg: mit dieser Frage stehen Sie nicht allein da! Ein plötzlich auftretender Harndrang oder unwillkürlicher Urinverlust sind Symptome, von denen vor allem viele Frauen betroffen sind. Aber es trifft auch wesentlich mehr Männer als erwartet. Man geht sowohl bei Frauen als auch Männern von einer hohen Dunkelziffer aus, da eine Blasenschwäche für viele Menschen noch stets ein Tabuthema ist. Warum eigentlich? Es ist doch ganz normal! Also sprechen Sie mit Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin.
Behandlungsmöglichkeiten bei Inkontinenz:
Harninkontinenz kann – abhängig von der Diagnose des Arztes oder der Ärztin und der Ausprägung des Leidens – auf unterschiedliche Weise therapiert werden. Auch eine Kombination der folgenden Therapien ist häufig möglich oder gar nötig.
Was Sie gegen Harninkontinenz unternehmen können – ein Überblick:
Die Therapien bei Harninkontinenz bzw. Blasenschwäche haben unterschiedliche Vor- und Nachteile. Mögliche Behandlungsformen sind:

Aber: Inkontinenz ist nicht gleich Inkontinenz!
Es gibt verschiedene Arten von Blasenschwäche mit unterschiedlichen Ursachen und Ausprägungen. Die verschiedenen Formen der Inkontinenz müssen unterschiedlich behandelt werden. Darum steht vor der Therapie der Harninkontinenz stets die Diagnose des Arztes oder der Ärztin. Die häufigsten Formen der Harninkontinenz sind:
Belastungsinkontinenz (früher: Stressinkontinenz)
Eine Belastungsinkontinenz (oder Stressinkontinenz von engl. stress = Druck, Spannung, Belastung) kommt bei Frauen sehr häufig vor. Nach Schätzungen ist jede fünfte Frau von einer solchen „schwachen Blase“ betroffen. Das liegt an den Ursachen dieser Art von Blasenschwäche: Schwangerschaften, vaginale Geburten, hormonelle Veränderungen (z.B. während der Wechseljahre) oder eine vererbte Bindegewebsschwäche gehen häufig mit einer Belastungsinkontinenz einher. Bei den Ausprägungen der Belastungsinkontinenz unterscheidet man zwischen verschiedenen Graden, abhängig davon, wie es zu einem unfreiwilligen Urinverlust kommt: Grad 1: Körperliche Belastungen wie Husten, Lachen oder Niesen führen zu einem plötzlichen Urinverlust. Grad 2: beim Aufstehen vom Stuhl, beim Springen oder beim Treppensteigen kann es zum unwillkürlichen Urinverlust kommen. Grad 3: Der Urinverlust findet unfreiwillig im Liegen statt. [Achtung: Ihren individuellen Fall kann nur ein Arzt oder eine Ärztin beurteilen!] Ziel der Therapie einer Belastungsinkontinenz ist meist die Stärkung der Beckenbodenmuskulatur.
Dranginkontinenz (auch „Urgeinkontinenz“)
Bei der Dranginkontinenz, umgangssprachlich auch „überaktive Blase“, handelt es sich um eine Blasenspeicherungsstörung, wobei der Blasenschließmuskel grundsätzlich intakt ist. Stattdessen reagiert der Blasenmuskel bei Dranginkontinenz zu empfindlich. Das zeigt sich im Alltag durch einen plötzlichen, starken Harndrang ohne Vorankündigung oder offensichtlichen Grund. Das kann auch mehrmals in der Stunde vorkommen. Der Harnabgang kann bei einer Dranginkontinenz nur schwer oder gar nicht mehr willentlich unterbunden werden. Wer also von einer Dranginkontinenz betroffen ist, muss oder möchte ohne Umwege auf die Toilette, was leider nicht immer rechtzeitig umsetzbar ist. So kann es in einigen Fällen zu einem unfreiwilligen Harnverlust kommen. Das häufige, nächtliche Wasserlassen gehört ebenfalls zu den Symptomen einer Dranginkontinenz. Eine Dranginkontinenz schränkt den Tagesablauf der Betroffenen stark ein und hat somit Einfluss auf die individuelle Lebensqualität. Mit der Behandlung der Dranginkontinenz sollen die Abstände zwischen dem auftretenden Harndrang verlängert und das Aufnahmevermögen der Blase verbessert werden, was letztendlich wieder zu einer besseren Lebensqualität führt.
Mischinkontinenz
Wie der Name schon vermuten lässt, handelt es sich bei dieser Blasenschwäche um eine Mischform zwischen einer Belastungsinkontinenz und einer Dranginkontinenz. Sie kommt relativ häufig vor.
Bitte beachten Sie: dieser Ratgeber ist kein Ersatz für eine ärztliche Diagnose und soll Ihnen lediglich eine Orientierung geben. Sprechen Sie mit Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin über Ihr Anliegen und mögliche Therapieformen, die wir Ihnen nachfolgend aufzeigen.

Therapien bei Inkontinenz:
Harninkontinenz kann – abhängig von der Diagnose des Arztes oder der Ärztin und der Ausprägung des Leidens – auf unterschiedliche Weise therapiert werden. Viele der nun folgenden Therapieansätze können aber auch kombiniert eingesetzt werden:
Anpassung der Lebensumstände
Da es nicht nachteilig sein kann, empfiehlt der Arzt oder die Ärztin in vielen Fällen, die Lebensumstände anzupassen. Dazu gehören u.a.:
a. Gewichtsreduktion
Übergewichtigen Patienten und Patientinnen wird im Zuge einer konservativen Therapie eine Gewichtsabnahme empfohlen. Ein vermindertes Körpergewicht führt häufig zu einem reduzierten Harndrang und unwillkürlichen Urinverlust.
b. Vermeidung von Harninkontinenz fördernden Umständen
Insbesondere bei vorliegender Belastungsinkontinenz sollten Umstände, welche den ungewünschten Urinverlust fördern, reduziert werden. Beispielsweise sollten harntreibende Getränke wie Kaffee und schwarzer Tee, stressige Alltagssituationen und das Heben von schweren Gegenständen vermieden werden. Abends sollte nur noch wenig Flüssigkeit zu sich genommen werden, damit nächtliche Toilettengänge reduziert werden.
c. Miktionstagebuch
Das Führen dieses Toiletten- und Trinkprotokolls hilft dabei festzustellen, ob der unkontrollierte Urinverlust noch normal oder bereits behandlungsbedürftig ist und unterstützt mögliche Ursachen zu ergründen.
Training der Beckenbodenmuskulatur (Physiotherapie)
Das Beckenbodentraining gehört zu den klassischen Behandlungsmöglichkeiten – insbesondere bei vorliegender Belastungsinkontinenz, die in der Regel auf einer Schwäche der Beckenbodenmuskulatur oder des Bandapparates im Beckenbereich beruht. Das Beckenbodentraining kann grundsätzlich zwar auch zu Hause erlernt werden, meist geschieht dies jedoch im Rahmen einer Physiotherapie. Je nach Härtegrad der Inkontinenz und Trainingsfleiß des Patienten oder der Patientin können Besserungen nach drei bis sechs Monaten eintreten. Sofern auch bei einem regelmäßigen Beckenbodentraining kein Fortschritt erkennbar ist, muss gemeinsam mit dem Arzt oder der Ärztin über eine alternative Therapieform entschieden werden.
Bei einer Dranginkontinenz kann ebenfalls ein Beckenbodentraining durchgeführt werden, vorausgesetzt krankhafte Ursachen für die Dranginkontinenz wie ein Harnwegsinfekt können ausgeschlossen werden. Unter anderem wird trainiert, dem Harndrang nicht sofort zu unterliegen und den Zeitraum bis zum Toilettengang immer weiter hinauszuzögern.
Vorteile: Bei dem Training der Beckenbodenmuskulatur handelt es sich um eine schonende Therapie mit guten und nachhaltigen Heilungschancen.
Nachteile: Die Anzahl der Physiotherapiesitzungen sind sehr begrenzt, da die Physiotherapie – aufgrund der enormen Belastung des ärztlichen Budgets – vom Arzt oder der Ärztin nur begrenzt verschrieben werden kann. Darüber hinaus muss das Beckenbodentraining in Eigenregie zuhause stattfinden. Der Therapieerfolg ist daher abhängig von einem regelmäßigen Training des Patienten oder der Patientin.
Medikamentöse Behandlung
Der Einsatz von Medikamenten mit dem Wirkstoff Duloxetin hilft spezifisch gegen Belastungsinkontinenz, denn es verbessert die Kontraktilität des quergestreiften Harnröhren-Schließmuskels.
Vorteile: Die medikamentöse Behandlung lindert die Beschwerden kurzfristig und auf einfache Art und Weise.
Nachteile: Bei der Medikamenteneinnahme handelt es sich lediglich um die Behandlung der Symptome, sie trägt nicht zu einer Heilung bei. Das Medikament muss somit dauerhaft eingenommen werden, was auf Dauer zum Eintreten von Nebenwirkungen oder Minderung der Wirksamkeit führen kann.
Speziell für Frauen: Hormontherapie
Bei Frauen während oder nach der Menopause tritt eine Inkontinenz häufig als Folge von Östrogenmangel auf, weswegen eine Östrogentherapie erfolgt. Da der Wirkstoff (Östriol) in einer geringen Dosierung und mit Hilfe einer Salbe oder eines Östrogenscheidenzäpfchen lediglich örtlich im Genitalbereich eingesetzt wird, sind Nebenwirkungen unwahrscheinlich. Kontraindikativ sind hingegen Hormone zur Behandlung von Wechseljahresbeschwerden, diese können die Inkontinenz stattdessen begünstigen.
Elektrotherapie mit und ohne Biofeedback
Die Elektrotherapie ist ein Teilgebiet der Physiotherapie und nutzt elektrischen Strom zur Behandlung der Harninkontinenz. Bei dieser Elektrostimulation werden Muskeln oder Nerven, die für die Steuerung der Harnblase und deren Verschlussmechanismen zuständig sind, positiv gereizt. In der Regel wird dazu eine vaginale oder rektale Sonde eingeführt. Dieser Reiz von außen funktioniert also ähnlich wie das klassische Beckenbodentraining, bei dem die Reize von „innen“ durch den Patienten oder die Patientin selbst gesetzt werden müssen. Das Ergebnis ist das Gleiche: Durch die elektrische Stimulation können Muskeln und Nerven ihre natürliche Aufgabe und Leistung wieder aufnehmen.
Vorteile: Wie bei der klassischen Physiotherapie handelt es sich bei der Elektrotherapie um eine schonende Behandlungsform mit guten und nachhaltigen Heilungschancen. Sie kann als Ersatz, Ergänzung oder im Anschluss an die klassische Physiotherapie eingesetzt werden, wodurch mitunter Heilungserfolge leichter oder schneller erzielt werden können. Durch die häusliche Anwendung kann der Patient oder die Patientin das Training täglich ohne große Mühe durchführen. Dazu wird ein Gerät mit entsprechenden Sonden für die Dauer der Therapie bereitgestellt. Die Kosten werden i.d.R. von der Krankenkasse übernommen. Für den Arzt oder die Ärztin ist die Elektrotherapie nicht budgetbelastend, so dass eine Verschreibung über einen längeren Zeitraum möglich ist.
Nachteile: Wie bei der klassischen Physiotherapie ist eine regelmäßige Anwendung durch den Patient oder die Patientin notwendig, damit eine Besserung oder Heilung erzielt werden kann.
Erfahrungsberichte zur Elektrotherapie bei Harninkontinenz:
Operative Eingriffe bei Harninkontinenz
Häufig aber nicht immer werden verschiedene operative Eingriffe als letzte Mittel eingesetzt. Dies hängt stark von der Diagnose durch den Arzt oder der Ärztin ab. Hier ein paar Beispiele, die Frauen betreffen:
a. Kolposuspension
Die Vorderwand der Scheide wird mit Hilfe einer Bauchspiegelung oder einem Bauchschnitt unter der Harnröhre angehoben und am Bandapparat des Beckens befestigt. Dies verhindert ein zu starkes Absenken der Harnröhre.
b. TVT-Operation (tension-free vaginal tape)
Bei der TVT-Operation wird ein Kunststoffbändchen als dauerhafte Einlage unter die Harnröhre gelegt, wodurch dieser Bereich stabilisiert wird. Diese Operation zählt heute zum sogenannten Goldstandard.
c. Senkungsoperation
Dabei handelt es sich um die operative Behandlung einer Gebärmutter bzw. Scheiden-/Blasensenkung; denn liegt bei einer Dranginkontinenz eine Senkung oder Vorfall der Organe von Gebärmutter, Blase und Darm vor, kann durch die Operation in bis zu 80 Prozent der Fälle eine Heilung erzielt werden.
d. Weitere Operationen
Dazu zählen die Einengung der Harnröhre durch Unterspritzung (Bulking Agents) oder Eigengewebeanwendungen (Fasziezügelplastik).
Vorteile: In manchen Fällen kann die Harninkontinenz und die damit verbundenen Leiden lediglich durch eine Operation behandelt und gegebenenfalls geheilt werden.
Nachteile: Der operative Eingriff ist für die meisten Patientinnen und Patienten mit einem hohen Aufwand und einer körperlichen und psychischen Belastung verbunden. Auch kann es zu einer schlechten Ausheilung oder zu Komplikationen kommen. Schonendere Verfahren, die wir im Vorfeld vorgestellt haben, gehen daher meist einer Operation voran.
Fragen Sie Ihren Arzt oder Ihre Ärztin
Schlussendlich entscheiden Sie gemeinsam mit Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin über die für Sie individuell geeignete Behandlung der Harninkontinenz. Bitte fragen Sie Ihren Arzt oder Ihre Ärztin abschließend, was Sie gegen die Blasenschwäche unternehmen sollen.
Elektrotherapie finden Sie interessant? Sofern Sie noch keinen ärztlichen Rat eingeholt haben, können Sie hier unser Infoblatt für Ihren Arzt herunterladen. Dies legen Sie bei Ihrem nächsten Arztbesuch vor und besprechen mit Ihrem Arzt, ob eine Elektrotherapie in Ihrem Fall sinnvoll sein könnte.
Oder nehmen Sie Kontakt mit uns auf. Gerne informieren wir Sie vor Ihrem Arztbesuch über die Anwendung der Elektrotherapie bei Blasenschwäche. Oder wir nennen Ihnen einen mit der Elektrotherapie vertrauten Arzt oder eine Ärztin:
Sie wollen immer auf dem Laufenden sein? Folgen Sie uns auf Social Media: